Zum Artikel ‚Ruf nach Wahlfreiheit beim Bezahlen an E-Ladesäulen‘ in den BNN vom 9.9.2021

In dem Zeitungsartikel der BNN vom 9.9.2021 (https://bnn.de/nachrichten/wirtschaft/ruf-nach-wahlfreiheit-beim-bezahlen-an-e-ladesaeulen) wird dargelegt, dass das Bezahlen an Ladesäulen zu kompliziert ist.
Als Lösung wird die Verwendung von klassischen Kredit- und Girokarten vorgeschlagen.

Dies ist allerdings nicht in jedem Fall eine gute Idee.

Zuerst ist jedoch zu erwähnen, dass der Artikel in der Onlineversion und in der gedruckten Ausgabe sich unterscheiden.
Während in der gedruckten Variante nur der Vertreter der Kreditwirtschaft zu Wort kommt, ist in der Onlineversion zusätzlich erwähnt, dass nicht alle für diese Lösung sind.
So sind die Verbände der Automobil- (VDA) und Energiebranche (BDEW) dagegen, da zu befürchten ist, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur ins Stocken gerät. Insgesamt wird der Vorschlag kritisch und als ein Schritt zurück gesehen.

Im Detail:
Die Kreditwirtschaft fordert, dass an Ladesäulen mit Kredit- und Girokarten bezahlt werden soll. Analog zu einer Tankstelle. Im Artikel wird von kontaktlosen Bezahlvorgängen gesprochen. Der Vorschlag zur Änderung der Ladesäulenverordnung (LSV) geht noch weiter. Dort wird ein Lesegerät mit Eingabemöglichkeit von PIN gefordert.

Wo ist das Problem?

Aus Betreibersicht:
Die Kosten auf Betreiberseite steigen deutlich (und werden natürlich an den Endkunden weiter gegeben).
Die Behauptung im Artikel, dass die Terminal nicht so teuer sind stimmt nicht. Ladesäulen stehen in der Regel im halb-/öffentlichen Raum im Freien. D.h. die Terminals müssen wetter- und vandalismussicher sein.

Neben den Kosten für das Terminal fallen weitere Kosten für Wartung, Anbindung und Abrechnung an. Die Kreditwirtschaft will ebenfalls an den Bezahlvorgängen verdienen, d.h. weitere Gebühren.
Aktuell unklar ist, ob nicht ein Belegdrucker vorhanden sein muss. Dies hätte zur Folge dass weitere Wartungsaufwände entstehen.

Die aktuellen Ladesäulen sind eichrechtskonform. Um dies zu erreichen wurden die Geräte geprüft und genau so abgenommen und freigegeben. Die Integration eines Bezahlterminals macht dies erneut notwendig. Hier entstehen für die Hersteller der Ladesysteme erhebliche Aufwände (zeitlich) und Kosten.

Aus Kundensicht:
Auf den ersten Blick mag dieses System aus Kundensicht gut aussehen. An jeder Ladesäule einfach mit der Kredit- oder Girokarte bezahlen. Hier gibt es jedoch ein paar Fallstricke.

Das bisherige Bezahlsystem an Ladesäulen funktioniert in der Regel per App/Ladekarte. Dazu muss man sich einmalig bei einem Anbieter registrieren. Durch das sog. Roaming sind die Zeiten mit dutzenden Ladekarten vorbei. Theoretisch kann man mit einer Ladekarte auskommen. Die Empfehlung sind 2-3. Damit ist man auf der sicheren Seite nahezu überall laden zu können.
Insgesamt ähnelt dieses System der Handhabung von Mobilfunkverträgen. Man sucht sich den Anbieter, der am besten zu den eigenen Anforderungen passt (Preis, Ladeleistung, Verfügbarkeit).
Mit dieser Auswahl steht auch fest was ein Ladevorgang kostet (nicht wie im Artikel erwähnt).

Die Angebote der einzelnen Anbieter variieren. Abhängig von verschiedenen, jedoch vorher bekannten Faktoren. An einer Ladesäule können Kunden mit Ladekarten von verschiedenen Anbietern laden. Immer zu den mit dem Anbieter vereinbarten Konditionen. Hier auch wieder der Vergleich mit dem Mobilfunk: Für das Netz der Telekom gibt es verschiedene Anbieter mit unterschiedlichen Preisen und Leistungen. Alle Nutzen jedoch das gleiche Netz.

So ist es für die Kunden möglich den besten Anbieter für seinen Anforderung zu wählen.

Wird nun per Giro- oder Kreditkarte bezahlt sieht das anders aus. Hier legt der Betreiber der Ladesäule den Preis fest. In diesen Preis werden alle Kosten einbezogen. Auch das Tarifmodell (Startgebühr, Preis pro kWh, Prei pro Minute) legt der Betreiber fest.
Genau diesen Preis muss bezahlt werden. Es gibt keine Wahl, außer die Suche nach einer anderen Ladesäule.
Den Preis an dieser Ladesäule erfährt man erst direkt an der Ladesäule (oder durch eine App – also ist es genau umgekehrt zu dem, was im Artikel genannt wurde).
Sind in einem Ort unterschiedliche Anbieter vorhanden, so können sich die Preise deutlich unterscheiden.

Aktuell laufen Versuche das Plug&Charge System einzuführen. Bei diesem Verfahren kommuniziert das Fahrzeug mit der Ladesäule und sorgt für die Daten zur Abrechnung. Hierzu werden Zugangs- und Abrechnungsdaten in einem Konto bei einem Anbieter hinterlegt. Der Ladevorgang startet nach Verbindung des Fahrzeugs mit der Ladestation. Dieses System wird kommen. Die ersten Fahrzeuge und Ladestationen sind damit ausgerüstet. In der Folge heißt dies, dass die Umrüstung auf Kartenzahlung nur ein (teurer) Zwischenschritt ist.